Bruce Davidson – ein Meister der humanistischen Fotografie

In der Wiener Galerie WestLicht gibt es bis 13. August 2017 eine große Bruce Davidson-Retrospektive zu sehen.

Bruce Davidson wurde 1933 in Oak Park, Illinois, USA, geboren. Bereits mit zehn Jahren begann er zu fotografieren. Er gewann 1949 den “Kodak National High School Award”, absolvierte anschließend eine Fotografenlehre und arbeitete unter anderem als selbständiger Fotograf für “Life”. 1958 wurde er Mitglied der legendären Bildagentur Magnum, die in diesem Jahr ihren 70. Geburtstag feiert.

Bruce Davidson gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Schule der ”humanistischen Fotografie”. Diese Richtung ist untrennbar mit den Namen Henri Cartier-Bresson, André Kertesz, Brassai oder Sabine Weiss verbunden. Die dem fotografischen Humanismus verpflichteten Künstler versuchten, über das Sozialdokumentarische hinaus das Alltagsleben der Menschen, ihre “condition humaine” , wiederzugeben. Kein Wunder, dass die Entstehung dieser Schule untrennbar mit den sozialen Umwälzungen im Frankreich der 30er Jahre und der Entstehung sozialkritischer, politisch engagierter Fotomagazine wie VU oder REGARDS verbunden ist.

Auf der anderen Seite des Atlantik fand die humanistische Fotografie unter den Fotografinnen und Fotografen der “Farm Security Administration” der Regierung Roosevelt ihr Gegenstück. Auch dort wandten sich großartige Dokumentaristen und Künstler dem Schicksal der deklassierten, Entwurzelten, der unterdrückten Schichten der amerikanischen Bevölkerung, zu.

Letzten Endes bekannten sich die Gründer von Magnum 1947 zu den Prinzipien der humanistischen Fotografie. Heute ist Bruce Davidson einer der letzten lebenden Zeugen dieser bemerkenswerten Tradition. WestLicht stellt 160 Fotos des amerikanischen Fotografen aus. Es ist eine beeindruckende Werkschau, die das Oeuvre Davidsons in seiner gesamten Vielfalt widerspiegelt.

Station 1 der Ausstellung zeigt das erste vollständig verwirklichte Projekt Davidsons. Als er 1955 seinen Militärdienst in Arizona ableistete, lernte er ein altes Ehepaar, die Walls, kennen. Der liebevolle Umgang der beiden alten Menschen miteinander beeindruckte Davidson so sehr, dass er fragte, ob er das Paar fotografieren dürfe. Und so porträtierte der 22-Jährige ein Ehepaar, dessen männliche Hälfte über 90, und die Frau 79 war. Es war ein ärmliches Paar, dass der junge Fotograf abbildete. Obwohl eine tiefe Melancholie über der Fotoserie liegt, konnte Davidson Ausschnitte aus dem Alltag dieser Menschen zeigen, die von einer tiefen menschlichen Verbundenheit mit ihnen Zeugnis ablegt.

Diese Fähigkeit, sozialen Randgruppen oder vom Schicksal Gezeichneten mit Respekt und Menschlichkeit zu begegnen, ist das Geheimnis der beeindruckenden Fotografien Bruce Davidsons. Seine Reportage “The dwarf and the circus” , die Porträts des kleinwüchsigen Clowns Jimmy Armstrong, berühren den zeitgenössischen Betrachter nach wie vor unmittelbar. Nein, das ist kein Spaßmacher, den uns Davidson zeigt. Wir sehen einen Menschen, der trotz aller Schicksalsschläge das Beste aus seinem Leben macht, weil er nur dieses eine hat.

Egal, ob die “Brooklyn Gangs” oder die amerikanische Bürgerrechtsbewegung – Bruce Davidson war überall dabei, wo sich die Widersprüche der amerikanischen Gesellschaft manifestierten. Beschämt muss ich zugeben, dass ich sehr, sehr viele Fotos, die mich seit Jahren beeindruckt haben, nicht Bruce Davidson zugeordnet hatte. Vielleicht ist das ein Nebenprodukt der Bescheidenheit des Fotografen, der hinter seine Bilder zurücktritt.

Eine Ausstellung der Fundación MAPFRE in Zusammenarbeit mit WestLicht. Schauplatz für Fotografie, und Magnum Photos, realisiert mit Unterstützung der TERRA Foundation for American Art.

Die Ausstellung ist bis 13. August 2017 zu sehen.

 

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