
Wien hat nun endlich das lange angekündigte eigene Ausstellungshaus für Fotografie: das FOTO Arsenal Wien! Mitten im historischen Arsenal, auf dem Gelände ehemaliger Werkstätten der Österreichischen Bundestheater, entstand in nur zwei Jahren ein moderner Museumsbau, der am 21. März 2025 feierlich eröffnet wurde. Ein Meilenstein für die österreichische Fotoszene!

Geschichtsträchtiger Boden
Das neue FOTO Arsenal befindet sich in einem ehemaligen Verwaltungs- und Garagentrakt der Österreichischen Bundestheater, dessen Ursprünge bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Der beeindruckende Militärkomplex ist das Produkt der niedergeschlagenen 1848er Revolution – der junge Kaiser Franz Josef wollte sicherstellen, dass im Falle einer neuerlichen Erhebung gegen die Monarchie ausreichend Feuerkraft gegen die potenziell rebellische Residenzstadt vorhanden war. In der Ersten Republik spielte das Arsenal mit seinen Waffenlagern, die vor den Siegermächten versteckt worden waren, eine bedeutende Rolle als Konfliktherd zwischen den antagonistischen politischen Lagern. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wurde hier ab 1959 eine Werkstatt für Bühnenbilder errichtet. Jahrzehntelang prägten Kulissen, Dekorationen und sogar LKW-Waschanlagen das Gebäude – noch 2023 hing ein alter Ablaufplan des Wiener Opernballs an der Wand. Heute, nach einer sorgfältigen Umgestaltung, ist das Gebäude kaum wiederzuerkennen.
Die Architekturbüros Malek Herbst (Wien) und Meyer Voggenreiter mit Wolfgang Zeh (Köln) haben den Bau aufwendig modernisiert. Dabei wurde ein zusätzlicher Stock aufgesetzt, nachhaltig mit Holz gebaut und die alten Backsteinfassaden behutsam erhalten. Das Ergebnis: ein lichtdurchflutetes, modernes Museum, das trotzdem die Spuren seiner Vergangenheit bewahrt.
1.000 Quadratmeter für die Fotografie – aber nicht ganz
Das FOTO Arsenal erstreckt sich über drei Stockwerke. Im Erdgeschoss laden rund 1.000 m² Ausstellungsfläche zu wechselnden Schauen ein, heißt es im offiziellen Pressetext. Allerdings muss diese Zahl etwas relativiert werden: zieht man die Fläche des eleganten Eingangsbereichs, des gut sortierten Museumsshop und des einladendes Cafés ab, bleiben 600 m² für die Ausstellungen über. In den Obergeschossen finden sich neben den Verwaltungsräumen eine Dunkelkammer, ein Bereich für Workshops und Vermittlung – ein klares Signal, dass hier nicht nur präsentiert, sondern auch produziert und diskutiert werden soll. Dazu weiter unten mehr.

Besonders spannend: Das FOTO Arsenal teilt sich das Gebäude mit dem neuen LAB des Österreichischen Filmmuseums, einem Kompetenzzentrum für die Konservierung und Digitalisierung von Film. Hier treffen also zwei eng verwandte Medien aufeinander – Fotografie und Film.
Das Gebäude wurde unter Berücksichtigung höchster Umweltstandards saniert: versickerungsfähige Materialien, eine begrünte Hofanlage und ein optimiertes Energiekonzept sorgen für eine nachhaltige Museumslandschaft. Die Investitionen für das Projekt belaufen sich auf drei Millionen Euro – und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im März 2025 erhielt das FOTO Arsenal das Österreichische Umweltzeichen für Museen.
Ein neuer Fixpunkt für die Fotoszene
Mit dieser Eröffnung erhält Wien endlich ein Haus, das sich vollständig der Fotografie widmet – ein längst überfälliger Schritt,
Unter der künstlerischen Leitung von Felix Hoffmann arbeitet ein 12köpfiges Team an der Umsetzung der Projekte – und da hat das FOTO Arsenal Wien-Team einiges vor.

Felix Hoffmann ist Ausstellungsmacher, Bild- und Kulturwissenschaftler und seit 2025 Gründungsdirektor des FOTO Arsenal Wien, das sich als neues Zentrum für Fotografie und Lens-Based Media etabliert. Parallel dazu leitet er die FOTO WIEN, eines der wichtigsten Fotofestivals Österreichs.
Zuvor prägte Hoffmann von 2005 bis 2022 als Hauptkurator das renommierte C/O Berlin, wo er internationale Ausstellungen mit Künstler*innen wie Nan Goldin, Robert Mapplethorpe, Peter Lindbergh, Gordon Parks, Ren Hang, Elfie Semotan oder William Eggleston kuratierte. Neben monografischen Werkschauen setzte er mit Themenausstellungen wie „unheimlich vertraut. Bilder vom Terror“ (2011) oder „Send me an Image. From Postcards to Social Media“ (2020) neue Akzente in der fotografischen Debatte.
Als Herausgeber und Autor zahlreicher Publikationen verbindet Hoffmann Theorie und Praxis der Fotografie auf hohem Niveau. Mit dem FOTO Arsenal Wien verfolgt er das Ziel, Fotografie in all ihren Facetten zu zeigen – von historischen Meisterwerken bis hin zu zeitgenössischen Positionen.
Fotografie im Vakuum?
Nachdem durch eine Neubesetzung an der Spitze des Kunst Haus Wien 2022 nach dem Abgang von Bettina Leidl ins Museumsquartier der von Leidl im Hunderwasser-Haus liebevoll aufgebaute Fotografieschwerpunkt abhanden gekommen war, blieben in erster Linie die privaten Galerien als Heimstädte der Fotografie über, Westlicht, Ostlicht, das Photoinstitut Bonartes, die Galerie im WUK und kleinere engagierte Aussteller*innen. Die Albertina sprang (als Bundeseinrichtung) in die Bresche. Ein strukturelles Problem blieb allerdings ungelöst: die Zerfahrenheit der musealen und wissenschaftlichen Beschäftigung mit Fotografie in Österreich.
Die toxische Mischung aus Ignoranz und Föderalismus, gepaart mit der zählebigen österreichischen Tradition, für Kunst nur dann Geld in die Hand zu nehmen, wenn sie sich touristisch vermarkten lässt, verhindert bis heute, dass es so etwas wie ein gesamtösterreichisches Haus der Fotografie gibt.
Ehre, wem Ehre gebührt: neben dem ehemaligen SPÖ-Kunststaatssekretär Thomas Drozda hatte sich nur ein anderer Spitzenpolitiker – ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer (Salzburg) – für die Pflege der fotografischen Schätze des Landes stark gemacht. Durchaus sinnvoll, übrigens – sind doch die Fotobestände des Bundes in Salzburg untergebracht, das mit dem Museum der Moderne schon einiges auf dem Gebiet Fotografie zu bieten hat. Die Fotohof-Galerie sei in diesem Zusammenhang natürlich auch erwähnt-
Ein wichtiger Ansatz in Wien
Bei der Pressekonferenz anlässlich der Eröffnung des FOTO Arsenal Wien betonten sowohl Felix Hoffmann als auch die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, dass die neue Einrichtung mehr als nur eine moderne Ausstellungshalle sein sollte. Ziel ist es, einen „Musumscluster“ zu bilden – immerhin ist der unmittelbare Nachbar das Heeresgeschichtliche Museum, und die Nationalgalerie im Belvedere ist auch nur einen Katzensprung entfernt.
Die Dunkelkammer und die Seminarräume sollen bevorzugt dazu dienen, Schüler*innen Medienwissen und ein kritisches Verständnis für „lens based“ Kunst zu vermitteln. Daher will das FOTO Arsenal auch in die angrenzenden Bezirke gehen und dort mit Jugendlichen fotodidaktisch arbeiten.
Das ist ein gutes und unterstützenswertes Ziel. Extrem fragwürdig erscheint mir aber der Plan des Museumsclusters. Ja, man kann sich die Nachbarn nicht aussuchen, wenn man wo einzieht – wie eine Kooperation mit dem Heeeresgeschichtlichen Museum aussehen kann, strapaziert meine Fantasie aber schon ein bisschen. OK – man könnte in der Panzerhalle eventuell eine James Nachtwey-Personale zeigen, aber das kann man auch so eine wichtige Ausstellung nicht ewig ausdehnen.
Die Eröffnungsausstellungen
Zur Eröffnung des FOTO Arsenal Wien werden zwei Ausstellungen gezeigt, die stellvertretend für das Konzept der Galerie stehen: Simon Lehners „Clean Thoughts. Clean Images“ steht für die Intention, immer eine zeitgenössische und durchaus provokante Position der modernen Fotografie zu zeigen.

„Magnum. A World of Photography“ zeigt unter anderem, nach welchen Kriterien die legendäre Bildagentur Fotos auswählt. Drei Projekte werden gesondert als „Ausstellung in der Ausstellung“ gezeigt: Susan Meiselas Archiv über die Geschichte der Kurd*innen, Bieke Depoorters fast detektivische Spurensuche nach den Lebensumständen eines psychisch beeinträchtigten Zufallsbekannten und Rafał Milachs Dokumentation von zivilgesellschaftlichem Protest in Polen. Über die Ausstellungen folgen gesonderte Berichte.

Es bleibt zu hoffen, dass das Team des FOTO Arsenal Wien seinen Enthusiasmus bewahren und die geplanten Projekte umsetzen kann. In diesem Sinne möchte ich auch die kritischen Untertöne in diesem Blogbeitrag durchaus konstruktiv verstanden wissen.
Wenn ich mir abschließend noch etwas wünschen darf, nachdem ja die Stadt Wien hinter dem Projekt steht: Bitte, liebe Kommunalpolitiker*innen, sorgt dafür, dass die GEWISTA oder wer auch immer rund um den Hauptbahnhof und die Straßenbahn- und Busstationen Wegweiser zum FOTO Arsenal montiert. Das Riesenareal der alten Waffenschmiede kann sehr verwirrend sein, und es ist fördert die gute Laune nicht wirklich, wenn man plötzlich am Panzerschrottplatz des Heeresgeschichtlichen Museums steht.

Kurt Lhotzky
Alle Fotos: (c) Kurt Lhotzky