In den letzten 20, 25 Jahren hat sich in der europäischen Öffentlichkeit ein zunehmend kritischer Blick auf die US-amerikanische Gesellschaft entwickelt. Die Bewunderung für den „amerikanischen Traum“ ist langsam geschwunden, die Schattenseiten der amerikanischen Zivilisation wurden schärfer wahrgenommen.

DRIVE-IN CHRISTIAN CHURCH. Daytona Beach, Florida. Le pain est d’une taille peu commune pour être bien visible durant la Sainte Cène. The Bread is of unusual size to be clearly visible during the Holy supper.
Copyright: Cyril Abad

Seit dem Aufkommen der Tea Party und Donald Trumps ersten Schritten auf der politische Bühne ist auch die spezifisch amerikanische Form von Religiosität in den Blickpunkt geraten. Konnte man als Kabel-TV- oder Satellitenzuschauer über „Praise the Lord-TV“ noch schmunzeln, ist vielen seither das Lachen vergangen. Evangelikale Kleinkirchen mit stockreaktionären Ansagen verschmelzen mit weißen Überlegenheitsfanatikern und deren Milizen. Ein Präsident lässt sich die Straße freiknüppeln, um dem Weißen Haus gegenüber die Bibel zu schwenken.

Der freischaffende Fotograf Cyril Abad hat in einem bemerkenswerten fotografischen Projekt versucht, diese „christliche“ Gegenkultur auszuloten. Herausgekommen sind teilweise urkomische Fotos aus einer Drive-In-Kirche oder einer evangelikalen Gemeinde von und für Nudisten. 52% der US-amerikanischen Bevölkerung sind offiziell in evangelikalen Kirchen organisiert, aber trotzdem gehen die Besucherzahlen von Gottesdiensten und Festen ständig zurück, Abad zeigt, wie Prediger mit modernen PR-Methoden versuchen, ihre Schäfchen zurück in die Kirchen und ihre eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen.

Auch wenn Abad die komischen Aspekte des religiösen Sektenwesens zeigt – seine Reportagen wecken zugleich ein Verständnis für die Menschen, die dem Ruf der Freikirchen folgen. Es wäre zu einfach, sie als religiöse Spinner oder Außenseiter abzutun. Sie sind auf eine ganz spezielle Weise in der „Mitte der Gesellschaft“ angesiedelt, obwohl ihnen diese Gesellschaft im Prinzip nichts anzubieten hat.

Cyril Abad, der von der Streetphotography kommt, steht für mich in der Tradition der „humanistischen Fotografie“ der 50er und 60er Jahre. Schaut euch auf seiner Homepage die Fotoserien zum Projekt „In God we trust“ an.

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