Bericht: “Das Fotobuch als Refugium”

Fotobücher sollte man sich bekanntlich ansehen – oft und mit Genuss. Man kann und soll  aber auch darüber reden. Wie das spannend und anregend geht, demonstrierten Ostlicht-Fotobuchkurator Michael Reitter-Kollmann und der Fotograf Reiner Riedler am 24. März 2022 im WESTLICHT.

Reiner Riedler (li.), Michael Reitter-Kollmann (re.)

Wie ich hier schon berichtet habe, findet derzeit im “Schauplatz für Fotografie” vulgo WESTLICHT die große Personale mit Werken Reiner Riedlers statt. Ein Aspekt, der in Vitrinen und Schlauplätzen zu besichtigen ist, sind die Fotobücher Riedlers. Genau das war auch der Ausgangspunkt für die Veranstatung “Das Fotobuch als Refugium”.

Welche Fotobücher haben den international renommierten Fotografen (Jahrgang 1968) geprägt, wollte Reitter-Kollmann zur Eröffnung wissen. Keine leichte Frage, wie sich zeigte. Fotobücher waren in den 70er und 80er Jahren rar – und meistens sehr teuer. In den Trafiken und an den Kiosken gab es ein paar Fotozeitschriften, und das war’s dann auch schon. 

Reiner Riedler hob aber auch hervor, dass zu seiner Zeit in der Fotografenausbildung der Schwerpunkt auf die Technik gelegt wurde. Referenzpunkte in der Fotogeschichte mussten sich die Jungfotografen selbst suchen. Wohlgemerkt – vor google und anderen Hilfsmitteln im Internet. Also waren Bibliotheken oft ein günstiger Weg, um doch noch an Fotobücher heranzukommen.

Michael Reitter-Kollmann unterstrich die Bedeutung des Fotobuchs auch (oder gerade?) im Internetzeitalter. Das Wort Fotografie bedeutet “Schreiben mit Licht”, rief er in Erinnerung. Das Narrative ist also schon im Begriff selbst angelegt. Fotobücher können daher Geschichten erzählen – besser, als das oft bei Ausstellungen möglich ist.

Riedler griff den Ball auf und dribbelte ihn weiter: Es komme mitunter vor, dass der Künstler bei der Gestaltung einer Ausstellung festellen müsse, dass noch eine Aufnahme fehlt, um eine Geschichte komplett zu erzählen. Das sei ärgerlich, ließe sich aber überspielen. Anders bei der Buchproduktion – da müsse die Lücke geschlossen werden, wolle man ein möglichst “perfektes” Werk liefern.

Ein Buch müsse sehr gut durchdacht werden. Es seien oft mehrere Jahre “zwischen Buchdeckeln”, die druckfertig gemacht werden müssten. Ein Fotobuch zu machen sei Stress. Gleichzeitig aber appellierte Riedler an alle Fotografinnen und Fotografen, die ein Fotobuch machen wollten: “Macht keine Kompromisse”. Man müsse sich vom Termindruck lösen, von irgendwelchen Deadlines, die von der Produktion gesetzt würden. Entscheidend sei das Endprodukt. Da müsse der Fotograf, die Fotografin selbst wissen, wann das Werk abgeschlossen ist. 

Michael Reitter-Kollmann wies darauf hin, dass in den letzten Jahren die Bedeutung der großen Verlage zurückgegangen ist. Stattdessen gibt es einen klaren Trend zum Self Publishing. Spannende Fotobücher seien in sich abgerundete Werke – die Fotos, die Produktion und das gedruckte Werk bilden eine Einheit, die den Vorgaben der Schöpfer*innen entspricht.

Frage aus dem Publikum: Und was kostet so ein selbstpubliziertes Fotobuch? Natürlich lässt sich die Frage so nicht beantworten – es kommt darauf an, welche Art von Buch es ist, welche Vorstellungen von der Papierqualität, von der Bindeart… umgesetzt werden müssen. In jedem Fall müsse man viel Geld in die Hand nehmen, erzählte Reiner Riedler aus eigener Erfahrung. Vor allem müsse man sich darüber im Klaren sein, dass Buchgestaltung, Design und Vertrieb plötzlich ganz persönliche Dinge würden, denen man sich nicht entziehen könne.

Anhand seines letzten Buches “End of the Night” illustriert Riedler seine Statements

Reitter-Kollmann ergänzte, dass der diesjährige Fotobuch-Award, der im Rahmen der Foto Wien vergeben wird, der Beweis dafür sei, wie lebendig die Fotobuchszene sei. Mit mehr als 400 Einreichungen haben sich der Jury ein unerhört diversifiziertes Bild eröffnet. Wie denn die Auswahlkriterien seien, wurde aus dem Publikum nachgefragt. Michael Reitter-Kollmann konnte darauf nur antworten: “Für die Auswahl gilt das, was in der Fotografie immer gilt: sehen, sehen, sehen.” Es seien (subjektive) Erfahrungswerte, die zur Juryentscheidung führten.

Das ist doch recht tröstlich in einer Zeit, in der sich viele Fotografinnen und Fotografen bei der Beurteilung ihrer Arbeiten undurchschaubaren Algorithmen einer angeblichen “Künstlichen Intelligenz” ausliefern.

Kurt Lhotzky

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